Sachsen wird nicht das dritte deutsche Bundesland nach Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, in dem der Frauentag zum gesetzlichen Feiertag wird. Das hat der Sächsische Landtag auf der Grundlage einer Massenpetition beschlossen. In diesem Artikel ordnen wir die Entscheidung ein.

Der Sächsische Landtag hat in seiner 82. Sitzung am 31. Januar 2024 einer Massenpetition zur Einführung des Frauentages als gesetzlicher Feiertag im Freistaat Sachsen nicht abgeholfen. Das bedeutet: Der Petitionsantrag wurde abgelehnt. Bis zum nächsten Antrag wird der Frauentag in Sachsen weiterhin ein normaler Arbeitstag sein. Diese Entscheidung ist im Sächsischen Amtsblatt 12/2024 vom 21. März 2024 durch den Petitionsausschuss bekannt gemacht worden.

Die Massenpetition wurde am 12. April 2022 eröffnet. Während des Petitionsverfahrens hatte die Gewerkschaft ver.di sogar den Volksantrag „Das Ziel: Ein Frauentag für alle!“ initiiert. Doch der konnte bis 31. August 2023 nicht das derzeit nötige Quorum von 40.000 Unterschriften erreichen, um parlamentarisch behandelt werden zu können.

Petition vs. Volksantrag

An diesem konkreten Beispiel wird der Unterschied zwischen Petition und Volksantrag deutlich. Die Petenten wandten sich in diesem Fall mit ihrer Petition an den Sächsischen Landtag. Im Erfolgsfall wären sie auf die Umsetzung durch ein Gesetzgebungsverfahren angewiesen gewesen, das entweder aus den Reihen des Landtags selbst oder durch die Sächsische Staatsregierung hätte eingeleitet werden müssen.

Demgegenüber handelt es sich beim Volksantrag um die Einleitung einer Gesetzgebung „durch das Volk“ selbst. Stimmt der Landtag dem unveränderten Volksantrag nicht binnen sechs Monaten zu, können die Antragsteller ein Volksbegehren mit dem Ziel in Gang setzen, einen Volksentscheid über den Antrag herbeizuführen. Das ist in Sachsen in Artikel 71 und 72 der Landesverfassung sowie im Gesetz über Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid geregelt.

Demnach kann jeder wahlberechtigte Bürger im Sachsen einen Volksantrag einleiten. Er muss derzeit von mindestens 40.000 Stimmberechtigten mittels Unterschrift unterstützt werden.

Diskussion um Veränderung der Quoren der Volksgesetzgebungen

Die Idee hinter dem Quorum ist einleuchtend: Wenn in einem bestimmten Zeitraum eine bestimmte Anzahl an Unterstützern zusammenkommt, kann davon ausgegangen werden, dass das Anliegen eine große Gruppe von Menschen für sinnvoll erachtet. Der Landtag kann die Umsetzung abkürzen, indem er einen Volksantrag mit erforderlichem Quorum direkt umsetzt. Geschieht das nicht innerhalb von sechs Monaten, kann der Antragsteller ein Volksbegehren mit dem Ziel eines Volksentscheids einleiten.

Damit es tatsächlich zu einem Volksentscheid kommen kann, liegt die Hürde aktuell bei 450.000 Unterstützern mit Unterschriftenerfordernis. Die elektronische Zeichnung ist in Sachsen noch nicht möglich.

Nach einer im Koalitionsvertrag angedachten Verfassungsänderung hätten sechs Prozent der Stimmberechtigten als nötige Unterstützer fungieren sollen. Bezugsgröße wäre die Zahl der Stimmberechtigten der letzten Wahl gewesen. Aktuell entsprechen sechs Prozent etwa 197.300 Stimmberechtigten. Darüber hinaus wäre das ausschließliche Unterschriftenerfordernis weggefallen. Auch in Sachsen wäre dann die elektronische Zeichnung möglich gewesen.

Dass es dazu auf absehbare Zeit nicht kommt, liegt an der Absage der CDU im Koalitionsausschuss vom 26. März 2024. Die bereits im Koalitionsvertrag von 2019 festgeschriebene und nun beinahe unterschriftsreife Reform scheitert an einigen Abweichlern aus den Reihen der CDU.

Glossar

  • Beschwerde
    Eine Form der Petition, mit der um Abhilfe nach einem individuell erfahrenen Unrecht ersucht werden kann, beispielsweise nach einer als unverhältnismäßig empfundenen Entscheidung einer Behörde.
  • Ersuchen
    Eine Form der Petition, die auf die Regelung eines allgemeinen politischen Gegenstands abzielt, beispielsweise die Änderung eines Gesetzes oder einer Verfahrensweise.
  • Massenpetition
    Eine Form der Petition, bei der eine bestimmte Anzahl an Petenten als Einreicher fungiert. Darüber hinaus können mehrere Einzelpetitionen zum gleichen Thema oder mit gleichem Anliegen vom Petitionsausschuss zu einer Massenpetition zusammengefasst werden.
  • Petition
    Der Begriff stammt vom lateinischen petitio, was Bittschrift, Gesuch und Eingabe bedeutet. In Deutschland ist das Petitionsrecht als Grundrecht in Artikel 17 des Grundgesetzes festgeschrieben.
  • Sammelpetition
    Eine Form der Petition, bei der ein Petent um Mitzeichner der Petition anhand einer Unterschriftensammlung wirbt. Der Initiator der Sammelpetition wird gebeten, die Mitunterzeichner über das Ergebnis zu informieren.
  • Volksantrag
    Nur in Sachsen und Baden-Württemberg gebräuchlicher Begriff für eine Volksinitiative. Als Instrument der direkten Demokratie kann jeder Bürger per Volksantrag bei einem Parlament unmittelbar Vorschläge und Gesetzesentwürfe einbringen.
  • Volksbegehren
    Wenn der Landtag nicht innerhalb von sechs Monaten seit der Veröffentlichung dem unveränderten Volksantrag zugestimmt hat, kann der Antragsteller innerhalb weiterer sechs Monate ein Volksbegehren einleiten.
  • Volksentscheid
    Wenn der Antragsteller eines Volksbegehrens ein bestimmtes Quorum von Unterstützern erhält (gegenwärtig: 450.000 mit Unterschriftenerfordernis; geplant waren: ca. 200.000 mit der Möglichkeit der Unterstützung in elektronischer Form), muss der Landtag mit einer Frist von drei bis sechs Monaten den Termin für einen Volksentscheid festsetzen. Für die Umsetzung der Forderungen aus dem Volksentscheid genügt die einfache Mehrheit aller abgegebenen Stimmen.
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